Baladi vs. Saïdi, Ines klärt Euch auf!

Danke an Ines, orientalische Tänzerin und Trainerin für orientalischen Tanz, für die Beantwortung unserer theoretischen und kulturellen Fragen über Bauchtanz sowie dafür, ihre Erfahrung mit uns geteilt zu haben.

Was ist Ihre Geschichte in Bezug auf das Tanzen und speziell auf den Bauchtanz?

Ich habe im Alter von fünfzehn Jahren mit dem orientalischen Tanz begonnen. Ich hatte zuvor keine andere Tanzart beherrscht, mochte es aber bereits sehr zu tanzen. Seit ich klein war, tanzte ich für mich alleine und ahmte die Tanzschritte aus Videoclips nach. Nachdem ich vier Jahre lang an Gruppenkursen für orientalischen Tanz teilgenommen hatte, verbrachte ich ein Semester in Spanien. Dort begann ich Kurse zu geben und an Festivals mitzuwirken.
An meinem ersten Festival nahmen Raqia Hassan, Soraya Zaed und Aziza teil, drei bekannte ägyptische Bauchtänzerinnen. Ich kannte mich nicht besonders aus, doch sie auf der Bühne zu sehen sprach für sich selbst und erklärte ihren Tanz. Ihre Entwicklung während der Darbietung zu beobachten, eröffnete mir eine Vorstellung von der breiten Palette an Möglichkeiten. Mir wurde bewusst, dass der Bauchtanz, umfassend beherrscht, technisch anspruchsvoll war und ich daraus meine Leidenschaft würde nähren können. Ich habe also Workshops und Fortbildungen aneinandergereiht. Ich hatte das Glück Künstlern von internationalem Renommee begegnen zu dürfen; u. A. Sadie und Mahmoud Reda.
Zurück in Frankreich habe ich meine Bauchtanzkurse in Nantes eröffnet und mich weiter fortgebildet. Inzwischen gebe ich seit zehn Jahren Unterricht im orientalischen Tanz und habe nie aufgehört dazuzulernen.

Was ist der Baladi im Bauchtanz?

Das Wort „Baladi“ bedeutet „Heimatland“, daher bezeichnet Baladi meine Erde, meine persönliche Heimat. Dieser Term kann in Ägypten alles Mögliche meinen. Ein Hund kann Baladi sein, ebenso wie das Brot, usw... Er unterstreicht den zutiefst ägyptischen Charakter, von dem wir sprechen. Wenn man von Baladi und Bauchtanz spricht, spricht man von vielen Dingen.
Die Baladi Musik betreffend würde ich sagen, dass es sich um beliebte ägyptische Musik in großer Bandbreite handelt. Der Stil wurde bis in die Siebzigerjahre hinein praktiziert. Mit „Baladiawadi“ bezeichnet man ein improvisiertes Musikstück, an welches eine Vielzahl von Bauchtänzerinnen ihre Kreationen anpasst. Häufig handelt es sich um die Improvisation eines Akkordeonisten (Leader) und eines Schlagzeugers.
Letztlich charakterisiert der Baladi einen Tanz, welcher tief inspiriert von der ägyptischen Energie ist: im Boden verankert, voller Verspieltheit und Empfindsamkeit; ebenso wie Bent El Balad, die Tochter des ägyptischen Volkes.
In Bezug auf ihre Bühnenoutfits, tritt sie häufig in der Galabeya auf, der traditionellen ägyptischen Tracht.

Worin unterscheidet sich der Saïdi?

Der Term „Saïdi“ bezeichnet einen lebhaften Volksstamm in Oberägypten, im Süden Ägyptens. Der Begriff bezeichnet ebenfalls ihre populäre Musik und Tänze. Diese Art von Bauchtanz wird häufig mit einem Stab oder Stock akzentuiert dargeboten. Typische, dem Tahtib entliehene Schrittfolgen (der Tahtib ist eine jahrtausendealte ägyptische Kampfkunst, welche vom Volk der Saïdi praktiziert wird), eine energischere Haltung und die Galabeyas aus traditionellen Stoffen charakterisieren die Saïdis.

Was ist unter den derzeitigen schwierigen Umständen Ihr Geheimnis, um Ihr Lächeln und Ihre Motivation zu behalten? Welche Ratschläge würden Sie Anderen für den orientalischen Tanz geben, um ihnen zu helfen trotz Fernkursen und Cancelling der Silvestergalas ihre Fähigkeiten zu vertiefen?

Ich weiß nicht, ob ich ein Geheimnis habe... aber viele Dinge haben mir geholfen. Zuerst einmal die Motivation meiner Schülerinnen, welche an meinen Onlinekursen für orientalischen Tanz teilgenommen haben. Uns jede Woche dank Videokonferenz sehen zu können, hat mich extrem reboosted! Und ich glaube, mich so reboosted zu sehen, hat sie wiederum reboosted; ein positiver Teufelskreis...! Ich habe mich auch motiviert, indem ich selbst von Zeit zu Zeit an Fernkursen teilgenommen habe. Es tat gut einmal die didaktischen Stile verschiedener Lehrerinnen zu erfahren. Und schließlich gehört der Tanz zu meinem Alltag seit ich klein bin. Schlussendlich war es sehr natürlich einfach weiter zu tanzen; es war sogar ein Bedürfnis.
Ferner bin ich ein positiver Mensch und mag es, in allen Situationen, die ich durchlebe, die Dinge von ihren guten Seiten zu betrachten. Ich habe diese Zeit als eine Gelegenheit begriffen, Wissen weiter zu vertiefen und den persönlichen Tanz ausreifen zu lassen. Es ist auch die Gelegenheit, sich auf den ersten und wichtigsten Zweck des Tanzes zu besinnen. Tatsächlich tanzen wir - zumindest glaube ich das - weniger für Vorführungen oder um uns vor einem Publikum zu produzieren, sondern weil es uns guttut und uns ganz einfach glücklich macht.

Welche herausragende Eigenschaft benötigt eine Bauchtänzerin ihrer Ansicht nach?

Ob orientalische Tänzerin oder Tänzerin einer anderen Richtung, ich würde sagen, dass für mich am wichtigsten ist, man selbst zu sein und sich von niemandem seine Art zu tanzen vorschreiben zu lassen.

Welches war Ihre schönste künstlerische Begegnung im Bereich des orientalischen Tanzes und warum?

Ich hatte enorm viele tolle Begegnungen; sowohl aus künstlerischer, als auch aus zwischenmenschlicher Perspektive. Es ist mir daher nicht möglich, eine Einzelne zu nennen... Die Bauchtanzschulen, derer ich Teil war: Ameiya, Badawat und Bakat Basamat sind wichtige Quellen der Bereicherung; hinsichtlich der künstlerischen und menschlichen Belange gleichermaßen, für die Zusammenarbeit ebenso wie für Vorführungen. „Die Memoiren von Bastet“, entwickelt von Faith Chang, war zudem sehr lehrreich und erfüllend. Und meine regelmäßigen Schülerinnen sind ebenfalls wunderbare künstlerische Begegnungen, da sie mich sehr inspirieren.

Mussten Sie bisher im Laufe Ihrer Karriere als Bauchtänzerin und Lehrerin für orientalischen Tanz schwierige Prüfungen meistern oder Niederlagen verkraften? Welche waren es, was haben Sie aus ihnen gelernt und wie haben Sie sie überwunden?

Bauchtanzlehrerin und orientalische Tänzerin zu sein, ist kein einfacher Beruf. Er ist voller Ungewissheit und Unwägbarkeiten. Jedes Jahr ist ein neuer Anfang und es gibt nur wenig Sicherheit. Man muss sich ständig neu erfinden, neue Ideen finden und das kann manchmal erschöpfend sein. Ich muss also in meinem Sinne ein Gleichgewicht finden, zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und dem nach Erfüllung. Ich bin eine Person, die es liebt sich in neue Projekte zu stürzen. Man muss in der Lage sein zu akzeptieren, dass Einige gelingen werden, Andere wiederum nicht. Es ist ein Beruf, der mir Ausdauer und Zähigkeit vermittelt hat.

Veröffentlicht in: Orientalische Tänzerinnen

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