Orientalischer Salsa, tänzerischer Karriere: Die unvergleichliche Taly HANAFY weiht ein

Danke an Taly HANAFY, Bauchtänzerin, Lehrerin und Choreografin für orientalischen Tanz, für ihre faszinierenden und tiefgehenden Antworten auf die Fragen unseres Interviews.

Wie trat der Tanz, und insbesondere der Bauchtanz, in Ihr Leben? Wie verliefen Ihr künstlerischer Werdegang und die Blütezeiten Ihrer Karriere – von Beginn an bis heute?

taly-01.jpg

Der Tanz ist seit jeher ein Teil von mir. Solange ich denken kann, habe ich ständig getanzt und Choreografien kreiert. Ab dem Alter von 5 bis 6 Jahren präsentierte ich mich mit großem Vergnügen in einem Prinzessinnenkleid vor meinem Spiegel.
Die geringsten Geräusche veranlassten mich stets zu Bewegung. Musik übt auf mich eine unwiderstehliche Anziehung aus, der ich mich einfach nur hingeben kann. Manchmal, auch wenn ich ein Stück noch nicht einmal mag, bewegt mein Körper sich von selbst im entsprechenden Tempo, ohne dass mein Geist dies wollen würde!
Ich begegnete dem orientalischen Tanz im Alter von 14 Jahren, anlässlich eines künstlerischen Workshops, welcher von der stellvertretenden Direktorin meiner Gesamtschule angeboten wurde: Babeth (heute Lehrerin im Verein Mayeba). Sie selbst ist Schülerin von Ottilie Eucher gewesen. Anschließend setzte ich meine Initiation mit Najet Rejichi fort. Dann nahm ich an Workshops sehr vieler Bauchtanz-Lehrerinnen teil; hauptsächlich bei Djamila Henni Chebra und Randa Kamel. Übrigens möchte ich ihnen bei dieser Gelegenheit danken, für das Wissen, welches sie mir gebracht und mit so viel Großzügigkeit vermittelt haben.
Alle Begegnungen, in deren Genuss ich im Laufe meiner Karriere als Tänzerin, Lehrerin und angehende Choreografin ich kommen durfte, waren ein wichtiger Beitrag, um meine Karriere voranzutreiben und mich dazu zu befähigen, meine Leidenschaft zu leben. Sie haben mich Stück für Stück auf dem Weg begleitet, die verrückte Idee zu konkretisieren, vom Tanzen leben zu können; ein Traum, welchen ich zum Zeitpunkt meines Abiturs kaum in Erwägung zu ziehen wagte, als wir einen Schwerpunkt wählen sollten.
taly-02.jpgIch habe 2003 begonnen, zu unterrichten, ich habe ab 2008 Reisen nach Ägypten für Begeisterte des Bauchtanzes organisiert, ich war 2013 an der Organisation eines orientalischen Tanz-Festivals mit Semsemah (Eshtah Ya Eshta) beteiligt und habe verschiedene Aufführungen erdacht, welche Laientänzerinnen sowie professionelle Künstlerinnen vermischten: «Ode an die Meeresgöttinnen» (2010), «Kesset El Sahara» (2012), «Dayret El Hayah» (2014), «Heldinnen» (2016).
Die wichtigste Begegnung meines Lebens war die mit meinem Ehemann, dem Künstler Kareem GaD.
Ein echtes Genie seines Fachs… in der Tat! Und das sage ich aus einer völlig objektiven Perspektive… ;-) Sein kulturelles Wissen sowie seine vielfältigen Talente haben mir viel gebracht und mich wesentlich beeinflusst.
Gemeinsam haben wir das Unternehmen Bell’Masry auf 2 Säulen gegründet: den Unterricht und den Showbereich. Unser Ziel ist es, den orientalischen Tanz zu vermitteln und die lebendigen Künste Ägyptens zu teilen. Und wir sind glücklich darüber, dass wir uns als Experten in diesen Bereichen etablieren konnten; besonders mit der Kreation «Ramy et Julietta, verliebt in Kairo», welche wir 2015 im Theater Bobino aufgeführt haben.
taly-03.jpgIch mag es, vollständige, ganzheitliche Shows zu bieten, welche verschiedene Arten von Künsten rund um das Thema des Bauchtanzes vereinen: Feuerspucker, Säbelkämpfer, Feuertänzerinnen, Schlangenbeschwörerin, Stelzenläufer… Nichts ist aufregender für mich, als ein Budget zur Verfügung zu haben, um Träume wahr werden zu lassen. Es gefällt mir besonders, über die globale Konzeption eines Projekts dieser Art nachzudenken: das Thema, die Beleuchtung, die Kostüme, das Bühnenbild, die Choreografien, das Casting von Künstlern…
Zuletzt haben wir im Oktober 2022 in Grande Synthe im Norden Frankreichs die Premiere unserer neuen Show "Zauber aus 1001 Nacht" gefeiert, mit einer Auswahl an Künstlern, welche Tänzerinnen, Musiker und sogar Stuntmen beinhaltete.
taly-04.jpgIm Jahr 2020 gründete ich ein Programm für Online-Bauchtanzkurse über 30 Stunden, aufgezeichnet und umgesetzt mithilfe zahlreicher Thematiken, theoretischen Unterrichts sowie enthaltenem kulturellem Know-how. Dies hat mich extrem viel Zeit gekostet. Allein das Thema über die Ghawazi erforderte beispielsweise über 1 Monat Arbeit.
Heute unterrichte ich weiterhin
orientalischen Tanz, indem ich das Atelier Compagnie Bell’Masry leite; eine Amateur-Crew für die motiviertesten unter meinen Tänzerinnen, welche das Sprungbrett zu unserer Truppe aus professionellen orientalischen Tänzerinnen sein kann.

Worin liegt – aus Ihrer Sicht – der Sinn darin, Salsa und Bauchtanz verschmelzen zu lassen, um die originelle Fusion des «Salsa Orientale» zu kreieren?

taly-05.jpg

Fusionen haben schon immer existiert. Seit grauer Vorzeit lieben Menschen es, Künste zu entdecken und mit Anderen zu teilen. Im Ägypten der Vierziger- und Fünfzigerjahre gab es wundervolle musikalische Fusionen mit lateinamerikanischen Instrumenten. Mohamed Abdel Wahab, Abdel Halim Hafez und Ahmed Fouad Hassan haben uns außergewöhnliche musikalische Werke gebracht. Taheya Carioca erhielt ihren Namen aufgrund dessen, dass sie bekannt dafür war, lateinamerikanische Schritte in Perfektion auszuführen. Für meinen Teil überkam mich diese Lust, da ich 10 Jahre lang – parallel zum Bauchtanz – intensiv Salsa praktiziert habe. Natürlich endete es damit, dass ich beide Tanzstile fusionieren ließ, da sie wie selbstverständlich in meinem Körper verschmolzen, wenn ich zum Salsa-Abend ausging.
Aus kreativer Sicht existieren Stücke, welche beide Stilrichtungen verbinden, weswegen ich meinen Instinkt sprechen lasse, um eine Choreografie zu entwickeln. Die Stile vermählen sich ideal durch die Prädominanz des Rhythmus, der Weiblichkeit und der Bedeutung des Beckens. Man findet darin auch gleichartige Bewegungen wie die Vibration der Schultern.
Es liegt jedoch in dieser Fusion nicht mehr Sinn als in einer anderen. Eine Fusion, ganz gleich welcher Art, ist immer interessant, solange sie ehrlich gemacht ist und der Schwung aus der Hüfte kommt. Jeder ist frei, sich auszudrücken. Das Wichtigste ist, die Codes, die Geschichte zu kennen und zu beherrschen, was man fusionieren lassen möchte.
Im Training bringen Fusionen Diversität und gestatten es, die Technik der Schülerinnen anzureichern.

Was sind die Besonderheiten sowie Charakteristika, welche dem orientalischen Tanz und dem Salsa eigen sind? Zu welchem Ergebnis führt orientalischer Salsa-Tanz?

Der Bauchtanz zeichnet sich hauptsächlich durch die unendliche Vielfalt an Bewegungen des Beckens aus. Beim Salsa basiert die Bewegung vornehmlich auf der Beinarbeit.
Die Fusion der 2 Tänze gestattet es daher, Beine und Becken zu kombinieren. Unter anderem unterscheidet sich die Energie dieser Disziplinen: Das Orientalische ist sanfter und lieblicher, während Salsa feuriger und prickelnder ist. Ich liebe es, mit dem Kontrast dieser beiden Tänze zu spielen. Es ist eine der genussvollsten Empfindungen der Freude am Tanzen: Mich an den Schwingungen zu berauschen und mich mit ihnen zu vergnügen.

Was sind das ideale Tanzoutfit und die ideale Art von Musik, um orientalischen Salsa zu praktizieren? Können Sie uns einige Titel als Beispiele nennen, die sich dafür eignen?

taly-06.jpg

Dies hängt in erster Linie davon ab, ob die Kreation ausschließlich künstlerischer Art ist oder ob sie zur Präsentation bei einem Wettbewerb vorgesehen ist.
Zählt die rein kreative Seite, sind alle interpretativen Richtungen denkbar, solange eine zielgerichtete Absicht besteht; solange der Künstler weiß, wohin die Reise gehen soll. Das Publikum wird es mögen oder auch nicht; der Künstler wird seinen Standpunkt jedoch verteidigen können.
Im Rahmen eines Tanzwettbewerbs gibt es spezifische Erwartungen. Man muss also in Schubladen passen, um bewertet werden zu können. Letztens assistierte ich bei einem Wettbewerb, bei dem Kandidatinnen für Fusion Kreationen präsentierten, in denen die Fusion nicht ersichtlich war – weder choreografisch noch musikalisch. Sie haben die Aufgabe daher verfehlt.
Was das Outfit betrifft, besteht derzeit ein Trend zu kurzen Fransen-Kostümen, die fast mehr als Salsa-Kostüm durchgehen, als ein orientalisches Kostüm dies passt daher perfekt im Rahmen einer orientalischen Salsa-Fusion. Und im Allgemeinen ist es sinnvoll, ein Outfit mit Beinfreiheit zu wählen, wenn man sich auf das Spiel mit der Beinarbeit fokussiert.
Was die Musik angeht, gibt es – wie bereits zuvor erwähnt – alte Stücke mit lateinamerikanischen Einflüssen wie "Hayaty" von Mohamed Abdel Wahab, oder bei zeitgenössischer Musik "Baladi" von Hanine Y Son Cubano. Diese beiden Stücke sind super gelungene Beispiele musikalischer Fusions.

taly-07.jpg

Was schätzen Sie besonders am Bauchtanz?

Was ich im orientalischen Tanz gefunden habe und was mich angezogen hat, waren die Hitze, das gemeinsame Fest und die extreme Weiblichkeit… 3 Aspekte, welche sich übrigens auch beim Salsa finden.
Noch jung, waren mir die zeitgenössischen Tänze zu kalt. Seit ich in den Bauchtanz eingestiegen bin, mochte ich es, mein Becken auf sinnliche Weise bewegen zu können. Der Bauchtanz ist einer der femininsten Tänze, die es gibt und das ultra Feminine ist eine Seite, die ich seit jeher gerne erforsche.

Welches sind Ihre Einflüsse und woraus schöpfen Sie Ihre unglaubliche Kreativität?

taly-08.jpg

Zunächst einmal danke für das Kompliment!
I n meiner Jugend habe ich mehrere Arten von Tanz und artistischen physischen Aktivitäten ausgeübt; etwa Eiskunstlauf, rhythmische Sportgymnastik, klassische Gymnastik, Synchronschwimmen, aber auch handwerkliche Aktivitäten (Töpfern, Zeichnen, Seidenmalerei, Schneidern, Sticken, Graffiti). Meine Eltern waren keine Künstler, haben mir jedoch alle möglichen Türen geöffnet, um aufzublühen und die Welt zu entdecken (ich danke euch). Durch diesen Bias war ich daher stets nah an den Künsten. Im Jahr 2004 wurde ich an einer Fakultät für bildende Kunst angenommen, um Dozentin in diesem Bereich zu werden. Aber der Tanz war mächtiger als alles Andere in meinem Inneren. Ich habe diese Bandbreite aufgegeben, um mich umfassend hingeben zu können.
Diese ganze Vergangenheit hat meine Vorstellungskraft genährt und so ein Talent visueller Kreation geschärft, das ich bereits in mir trug. Ich schöpfe aus absolut allem Inspiration, was ich im Leben sehe, ich bin sehr kontemplativ... Ich mag es vor allem, mir Shows und Ausstellungen anzusehen.
Wenn ich ein Werk im orientalischen Tanz entwickele, beginne ich entweder mit einer Musik, die mir gefallen hat, mit einem Konzept oder einem Bild, aus denen sich der Rest ergibt. Anschließend mag ich es auch, mit meinen Tänzerinnen zu arbeiten. Sie sind wie meine Pinsel, die eine jungfräuliche Leinwand beleben und sie veredeln. Und wenn man einen Augenblick der Grazie erreicht, habe ich eine Art von visuellem Orgasmus!
Wenn mein kreativer Prozess einsetzt, lege ich – als unverbesserliche Perfektionistin – Kollektionen von Bildern und Referenzen an, dokumentiere mich selbst und vervielfältige die Quellen; all dies, um mein Thema, mein Projekt zu vertiefen und anzureichern.
taly-09.jpgA ls ich beispielsweise mein Werk Golden Era schuf, tauchte ich ebenso in die Fantasie des Orients aus Sicht des Okzidents in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts ein (vor allem orientalische Malereien), wie in das goldene Zeitalter des ägyptischen Kinos sowie seine Stars, von denen meine Favoriten Naemet Mokthar, Kitty Futsaty, Samia Gamal und Nabaweya Mustafa sind. Ich habe auch Videos dieser Epoche gesichtet, um ihre Essenz wiederzufinden; die echten Steps.
Ich bin vollständig in dieses Universum eingetaucht. Und dieses hat mir so gut gefallen, dass wir dieses Jahr, nach einer Golden Era Choreografie sowie einem Fotoshooting zu diesem Thema, ein Video gedreht haben.

Ich danke Ihrem Shop für Bauchtanz für dieses Interview und wünsche all Ihren Leserinnen viel Freude beim Tanzen!

Entdecken Sie die unglaubliche Taly und die Crew Bell’Masry in diesem originellen Clip in vollem Glanz:

Bitte hinterlassen Sie einenkommentar

Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen